Das größte Geschäft mit den Chinesen machen Chinesen, nur Dertour hält mit
Frankfurt. Am 15. Februar 2002 reiste unter gewaltigem Medienfeuer die erste chinesische Reisegruppe in Deutschland ein. Mit großen Dollar-Zeichen in den Augen stürzten sich die Manager der deutschen Reisekonzerne auf den Zukunftsmarkt Incoming. Mit ein paar Promille der acht Milliarden Chinesen wollten sie Millionen machen. Neue Abteilungen wurden dafür aus dem Boden gestampft und mächtig Wirbel für Präsenz im Reich der Mitte gemacht. Dass dabei mehr vonnöten war, als zu wissen, wie man mit Stäbchen isst, war ihnen wohl klar. Wie viel mehr, offensichtlich nicht. Obwohl Deutschland zu den ersten Fernzielen gehörte, die Chinesen bereisen durften, hat sich der China-Kracher etwa für Thomas Cook und TUI als Rohrkrepierer entpuppt. Nur Dertour ist noch aktiv. Bei Thomas Cook wurde das China-Incoming vor einem halben Jahr aufgelöst, beim Marktführer besteht die Abteilung noch, doch ist sie nicht viel aktiver. Das in Hamburg angesiedelte Büro TUI European Incoming harrt einer Neubestimmung. Sein Leiter, Reinhard Brunner, ist nicht mehr im Amt. Da China nicht-chinesischen Firmen den Verkauf von Reisen und Tickets noch bis zum Jahr 2007 untersagt, habe TUI mit Partnern versucht, das Geschäft in eigene Kanäle zu lancieren. Dies sei zwar gelungen, aber nicht lohnend gewesen, räumt Sprecher Mario Köpers ein. Das Jointventure TUI China mit CTS, dem größten Veranstalter des Landes, funktioniere indes bestens. Cook hat das Bestreben, in China Fuß zu fassen, noch in der Ära Pichler eingestellt. Der damals zuständige Manager, Günther Reischl, macht nun bei Dertour vor, wie man mit China Incoming-Geschäfte macht. Nicht mit Käufen und Jointventures, sondern mit Vereinbarungen.
„Wir arbeiten mit der Mehrzahl der seriösen Anbieter“. Reischl hat erst am 1. März 2004 in Frankfurt angeheuert und eine Abteilung forciert, die die gesamte Abwicklung inklusive Hoteleinkauf kontrolliert. Zum German Travel Mart im April bringt er den ersten Katalog auf englisch und chinesisch heraus. Auch Indien, Russland und Brasilien hat er schon im Visier: „Deutschland, gar Europa aus einer Hand, bietet bisher niemand wirklich an.“ Also hinein in die Lücke. Neben Dertour haben auch Kuoni, Schweiz, die britischen Anbieter Gulliver und Trafalgar sowie die japanische Miki Travel den Fuß in der chinesischen Tür. Das Hauptgeschäft mit den Chinesen in Deutschland aber machen – Chinesen. Der größte Player in Deutschland dürfte Caissa Touristic in Hamburg sein, die als erste auch Autoreisen in Deutschland für Chinesen angeboten haben. 28.000 Gäste habe man 2004 in Deutschland betreut. Mit Büros in Rom und Paris könne Caissa inzwischen den ganzen Kontinent bedienen, sagt Sprecher Klaus Schmitt. Caissa ist auch in Peking präsent und unterstützt zudem Tourismusschulen. Von den 600 Incoming-Agenturen in Deutschland sei die Hälfte in chinesischer Hand, weiß DZT-Experte Klaus Lommatzsch. Die Zahl der Gäste aus dem Reich der Mitte belaufe sich auf rund 300.000. Im Schnitt blieben sie 1,5 Tage im Land, um das Pensum „Elf Länder, 13 Nächte“ zu schaffen. Dass diese Reise in China für 1.000 bis 1.200 Euro zu haben ist, lässt ahnen, weshalb die Anhänger der langen Margen einen kurzen Atem hatten. Wilfried Geipert